Archiv für Juli 2011

Unpolitische Beobachtungen

Im September verlasse ich nach 4 Jahren SOWI Studium diese Universität. Ich habe sie in Vorlesungen und Seminaren bei toleranten und sachlich orientierten Dozenten als einen Ort gelebter Kontroversität erfahren. Der vielbeschworene Grundsatz einer, ausschließlich den Regeln des wissenschaftlichen Diskurses unterworfenen, akademischen Freiheit, wurde von den Inhabern der zahlreichen Lehrstühle der Fakultät für Staats- und Sozialwissenschaften und deren Mitarbeitern zum Leben erweckt. Ich danke Ihnen dafür.

Es muss daher umso irritierender sein, dass die jüngsten Reaktionen der akademischen Leitung dieser Universität auf die Gestaltung der Zeitung des studentischen Konvents „CAMPUS“, dieser toleranten und sachlichen Grundstimmung gänzlich zu entsagen scheinen – und zwar gerade in dem Augenblick, in dem diese Tugenden die Gelegenheit gehabt hätten, ihre Vorzüge zu demonstrieren.

Es wurde an anderer Stelle darauf aufmerksam gemacht: Meinung und Gegenmeinung sind die Motivatoren jener Form politischer Verfasstheit, die wir als Soldaten geschworen haben zu verteidigen: Das Recht und die Freiheit des deutschen Volkes. Demokratie lebt von diesem WiderSPRUCH. Ihn auszuhandeln und auszuhalten ist die Bedingung der Möglichkeit jenes „zwanglosen Zwangs des besseren Arguments.“ Demokratie meint Verfahren.

Es ist dieses Verfahren, das im Zusammenhang mit den jüngsten Ereignissen seinen vorgesehenen Platz nicht gefunden zu haben scheint: Rede ohne Gegenrede. Soldaten sind dies gewohnt. Das ist gut so. Daneben steht jedoch der Selbstanspruch einer Universität, die ganz bewusst NICHT Militärakademie sein will. Es sind Situationen wie diese, die immer die Nagelprobe eines solchen Anspruches darstellen werden. Hier wurde er verfehlt. Er ging verloren in den assoziativen Ballungsräumen, die sich zwischen zwei Anführungszeichen verstecken können. Er musste kapitulieren vor einem Vokabular der Bedenklichkeit. Die Lösung wären das persönliche Gespräch und die öffentliche, sachlich-argumentative Auseinandersetzung auf Augenhöhe vor dem gleichen Publikum und mit offenem Ausgang gewesen. Die Verteidigung der Grundwerte der FDGO, sofern diese hier in Gefahr waren, hätte die Form des Dialogs, nicht die des Monologs gehabt.

Dies ist nicht geschehen. Stattdessen beanspruchte jene Macht den Platz der Diskurshoheit, die sich aus einem sozialen Organisationskontext zwangsläufig immer ergeben wird. Vom „stahlharten Gehäuse der Hörigkeit“ und den „Dispositiven der Macht“ hatte ich als SOWI Student wohl gehört. Sie in der Subtilität ihres Zwanges wirklich zu erleben, war ein Augenöffner.

Dies sind unpolitische Aussagen, in dem Sinne, als dass Sie keiner der betreffenden inhaltlichen Positionen das Wort reden. Tatsächlich bin ich eher Kritiker denn Befürworter der Thesen der Neuen Rechten, die in der Homogenität, die diese Bezeichnung nahelegt, auch nicht zu existieren scheint.

Politisch sind jedoch die Ursachen des ganzen Vorgangs. Ein politisches Ereignis muss daher auch das Lesen einer Analyse der Gründe dieser Vorgänge sein, denn dies schafft, sofern noch nicht geschehen, ein Bewusstsein für die politisierte Lage, in der sich JEDER Soldat dieser Universität, ja jeder deutsche Soldat überhaupt befindet:

Für mein Empfinden, und das erklärt auch die nach Tagen noch nicht verflogene Empörung mit der ich diese Zeilen verfasse, liegt hier mehr vor, als das Verfehlen eines Selbstanspruches. Ich als Soldat, habe die Zeilen der Frau Präsidentin als moralische Belehrung verstanden. Dabei gilt sich vor Augen zu führen, wer einer solchen Belehrung bedarf: Es geht um jene, denen die Kompetenz zur politisch-moralischen Urteilsfindung selbst nicht zugesprochen wird. Der Grund dafür kann nur eins sein: Die Wahl eines von den deutschen ungeliebten Berufes: Soldat sein. Wer sich freiwillig und ohne Not der Möglichkeit einer Situation aussetzt, in der die Durchsetzung politischer Ziele mit militärischer Gewalt das Leben von Menschen gefährden kann, kann politisch-moralisch nicht integer sein – der muss bevormundet werden. Die Rede von den Streitkräften in und aus der Mitte der Gesellschaft ist deshalb Selbstbetrug, denn in Wahrheit ist der Soldatenberuf moralisch diskreditiert. In Situationen, in denen wir Soldaten als moralische Entscheidungsträger auftreten, lässt man uns dies spüren: Ihr gehört nicht zu uns.

Diese Differenz muss an einem Ort wie einer Universität der Bundeswehr, an dem Eliten der Zivilgesellschaft auf diese ihre Soldaten treffen, von denen sie wünschten, sie existierten nicht, besonders spürbar sein. Sie tritt zu Tage in den Momenten, in denen die moralische Diskurshoheit festgelegt wird. Wir haben einen solchen Moment erlebt. Es ist wichtig, sich dies zu vergegenwärtigen, denn es handelt sich dabei um eine politisch defizitäre Lage die nur mit einem entsprechenden Bewusstsein dafür verändert werden kann.

In der breiten Öffentlichkeit kann dies durch eine unverkrampftere Kommunikation der hohen Relevanz sicherheitspolitischer Handlungsfähigkeit, jenseits selbstgerechter Elfenbeinturmfantasien gelingen. An einem Ort wie der Universität der Bundeswehr München sollte dafür schon das offene Gespräch reichen. Vielleicht wird der Weg dahin ja noch gefunden!